Warum gibt es Unternehmen wie die Hidden Champions, die scheinbar mit Leichtigkeit oben an der Spitze stehen und eine stabile Auftragslage haben? Im Gegensatz zu jenen, die ständig um das Überleben kämpfen, weil sie nicht genügend Aufträge bekommen und es nicht schaffen ihre Marktposition zu verbessern? Dieser Blogbeitrag beschäftigt sich mit dem Geheimnis der Hidden Champions und erklärt, was die Marktführer anders machen.
Die Hidden Champions sind keine Großkonzerne, sondern kleine und mittelständische Unternehmen mit einer Größe i.d.R. bis zu 1.000 Mitarbeitern. Häufig sind sie in der breiten Bevölkerung nur regional bekannt – deshalb der Name „Hidden Champions“, was man sinngemäß mit „heimliche Meister“ übersetzen kann.
Wodurch unterscheiden sich diese Unternehmen von den durchschnittlichen Unternehmen? Sicher kann man viele Unterschiede finden, aber das grundlegende Geheimnis besteht aus drei Punkten:
- sie haben die Verschwendung minimiert
- sie haben einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess etabliert
- sie zeichnen sich durch ein gutes Betriebsklima aus und profitieren vom Potential der Mitarbeiter
Hidden Champions erkennen und minimieren Verschwendung
Um Verschwendung zu minimieren, muss sie zunächst als solche erkannt werden. Hier bietet die Lean-Methodenwelt die Abkürzung TIMWOOD als Eselsbrücke an:
- Transport = Transport- und Wegezeiten
- Inventory = Bestände
- Movement = überflüssige Bewegungen
- Waiting = Wartezeiten
- Overproduction = Überproduktion
- Overprocessing = nicht optimierter Herstellungsprozess
- Defects = Ausschuss, Nacharbeit
Die Folgen von Transport sind: Kosten (Stapler, Krane, Fuhrpark, Personal, Energie …), Beschädigungen, Suchvorgänge und häufig auch Informationsverlust.
Die Verschwendung durch Transport kann minimiert werden durch eine Entfernungsverringerung, die Fließproduktion und die direkte Kundenbelieferung ohne Zwischenlager.
Die Folgen von hoher Lagerhaltung und Bestände sind: zusätzlicher Platzbedarf, gebundenes Kapital und zusätzliche Kosten, unnötiges Suchen, Zwischenlagerungen und Materialbewegungen überall im Werk, Beschädigungen oder Veralten/Ungültigwerden der Teile. Das wichtigste Problem ist aber, dass Bestände Probleme verdecken, z. B. häufige kurze Maschinenausfälle oder instabile Prozesse.
Die Verschwendung durch hohe Bestände kann zum Beispiel durch die Einführung Pull-Prinzips und von Kanban-Systemen sowie durch Just-in-Time-Lieferungen des Vormaterials und auftragsgerechte Produktion minimiert werden. Letzteres setzt ein gut funktionierendes Produktionsplanungssystem voraus.
Unnötige Bewegungen entstehen durch: Materialien/Werkzeuge, die weit entfernt sind, schlecht organisierte Arbeitsabläufe und mangelhaftes Layout der Arbeitsplätze.
Eine bewährte Methode zur Optimierung der Gestaltung der Arbeitsplätze unter gleichzeitiger Einbeziehung der Mitarbeiter ist das Cardboard-Engineering. Hier werden die Arbeitsplätze zunächst mit Kartonagen gestaltet, bevor sie endgültig eingerichtet werden. Die Mitarbeiter bringen in diesem Prozess ihre eigenen Ideen ein und identifizieren sich dadurch mit ihrem Arbeitsplatz.
Ablaufbedingte Wartezeiten sind eine der am häufigsten anzutreffenden Verschwendungsarten. Die Mitarbeiter warten auf Material (fehlende Teile oder schlecht ausgetaktete Systeme), bei Maschinenausfällen, auf die Ergebnisse von Qualitätsprüfungen, auf vorgelagerte Prozessschritte oder weil die nächste Arbeitsaufgabe unbekannt ist (Informations- und Planungsproblem).
Ansätze zur Beseitigung von Wartezeiten sind die Austaktung der Arbeitssysteme, eine zuverlässige Materialbereitstellung und eine zuverlässige Produktionsplanung.
Von Überproduktion wird dann gesprochen, wenn Dinge produziert und eingelagert werden, für die (aktuell) kein Bedarf besteht. Überproduktion blockiert vorhandene Kapazitäten, erzeugt Bestände und bindet damit Kapital und erzeugt zusätzliche Kosten. Um Überproduktion zu vermeiden, sollte ein flexibles Beschäftigungsmodell eingeführt werden. Häufig ist es auch eine (sehr teure) unternehmenspolitische Entscheidung.
Ein nicht optimierter Herstellungsprozess ist eine weitere Verschwendungsart, die häufig unterschätzt oder nicht erkannt wird. Dazu gehören zum Beispiel Leerwege der Werkzeuge, zu geringe Geschwindigkeiten von Anlagenteilen, eine falsche Prozesswahl, die zu unnötiger Mehrarbeit führt, nicht optimal genutzte Einrichtungen und falsche oder mangelhafte Informationen oder Vorgaben/technische Einstellungen.
Hier sind die Meister und Vorarbeiter gefragt, um die richtigen Einstellungen der Anlagen zu prüfen und zu überwachen. Videoanalysen bringen diese Mängel häufig ans Tageslicht. Abhilfe schaffen Kontruktionsänderungen, Modernisierungen und Schulungen der Mitarbeiter.
Die letzte der 7 Verschwendungsarten ist die Produktion fehlerhafter Teile, denn sie führt zu Nacharbeit, zusätzlichem Transport, zusätzlichen Kontrollen, zusätzlichem Platz für den Reparaturbereich und Verzögerungen bei den Lieferterminen – bis hin zu möglichen Reklamationen durch die Kunden.
Fehler können wie folgt reduziert werden: Suche nach den Ursachen (5W-Methode), Eliminierung dieser Ursachen und Qualität von Anfang an (internes Kunden-Lieferanten-Prinzip, Qualitätsmanagementsystem).
3 effiziente Tools, um Verschwendung zu quantifizieren
Um herauszufinden, welche Verschwendung die größte ist und wieviel Kosten dadurch verursacht werden, müssen die Verschwendungsarten quantifiziert werden. Das bedeutet, dass man entweder die zeitlichen Anteile – Sie wissen: Time is Money! – oder die absoluten Größen (Bestände, Ausschuss) ermitteln muss. Gerade die zeitlichen Anteile sind häufig unbekannt, da sie sich in vielen kleinen, oft unzählbaren Momenten verstecken.
Um dieses Problem zu lösen, habe ich die 360°-Prozessanalyse entwickelt. Mit dieser Methode ermitteln Sie in einem Zeitraum von zwei bis vier oder fünf Wochen problemlos und fast nebenbei die Zeitanteile für Transporte und Wege, Wartezeiten, Nacharbeit und alle anderen Störgrößen.
Mehr Informationen erhalten Sie in meinem kurzen und informativen Video.
Die 360°-Prozessanalyse kann mit der Wertstromanalyse und der Videoanalyse kombiniert oder ergänzt werden:
- Transport = Transport- und Wegezeiten –> 360°-Prozessanalyse
- Inventory = Bestände –> Wertstromanalyse
- Movement = überflüssige Bewegungen –> Videoanalyse
- Waiting = Wartezeiten –> 360°-Prozessanalyse
- Overproduction = Überproduktion –> Wertstromanalyse
- Overprocessing = nicht optimierter Herstellungsprozess –> Videoanalyse
- Defects = Ausschuss, Nacharbeit –> 360°-Prozessanalyse
In der Reihenfolge der Methoden empfehle ich:
- die 360°-Prozessanalyse als Starter-Tool, um neben dem umfangreichen Zahlenmaterial auch einen Gesamtüberblick über die Problempunkte im ganzen Bereich zu erhalten
- die Wertstromanalyse für die Analyse eines wichtigen Produktes/einer wichtigen Produktgruppe
- die Videoanalyse für punktuelle Analysen von Abläufen
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